Kapitel 6

Sparrate nutzen – Teil 2

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Fallstricke, Umsetzung und dein persönlicher Weg

Im ersten Teil haben wir gesehen, was die Sparrate ist und warum sie so eine zentrale Rolle auf dem FIRE-Weg spielt. Jetzt schauen wir uns an, was oft schiefläuft, wie man die eigene Sparrate verbessern kann – und vor allem: wie du deinen ganz eigenen Weg findest, ohne dich unter Druck zu setzen.

Nicht alles, was sich sparen nennt, hilft dir weiter

Ein klassischer Denkfehler lautet: "Ich hab diesen Monat 800 Euro Kreditrate gezahlt – ich hab voll viel gespart." Aber wenn davon 600 Euro reine Zinsen sind, ist das Geld weg. Es hat weder Vermögen aufgebaut noch Rendite erzeugt. Oder nehmen wir das Beispiel: "Ich spare für ein neues Auto." Das ist natürlich vernünftig und vorausschauend gedacht. Aber dieses Geld wird später für einen Konsumgegenstand verwendet. Es fließt also nicht in Vermögensaufbau, sondern in Werterhalt – oder genauer gesagt: in einen Wert, der sich mit jeder Tankfüllung und jedem Kilometer verringert.

Auch das sogenannte "Parken" von Geld auf dem Girokonto oder dem Tagesgeldkonto hat Grenzen. Ja, es ist wichtig, eine Notfallreserve zu haben – wir haben selbst eine. Aber darüber hinaus sollte Geld, das langfristig nicht benötigt wird, investiert werden. Denn Geld, das nicht investiert ist, kann auch nicht für dich arbeiten. Es verliert sogar an Kaufkraft, wenn die Inflation zuschlägt.

Ein weiteres Risiko: man "spart" so hart, dass die Lebensfreude leidet. Man erlaubt sich keine Spontanität mehr, lädt niemanden zum Essen ein, kauft nur noch nach Kilopreis. Und dann? Hält man das ein paar Monate durch, wird frustriert – und wirft alles wieder über Bord. FIRE ist kein Verzichtsprojekt. Es geht nicht darum, heute unglücklich zu sein, um morgen vielleicht irgendwann glücklich zu werden. Es geht um Balance, Prioritäten und bewusste Entscheidungen.

Wie kann man die Sparrate verbessern – ohne sich zu verbiegen?

Im Grunde gibt es nur zwei Stellschrauben: mehr einnehmen oder weniger ausgeben. So einfach es klingt – so individuell ist der Weg dahin. Wir selbst haben zum Beispiel irgendwann gemerkt, dass viele kleine Dinge summieren. Nicht der eine große Urlaub war es, sondern das ständige Unterwegs-Essen, die Spontankäufe, die "Kleinigkeiten", die sich am Monatsende dann doch wie ein zweites Leben anfühlten. Ein Haushaltsbuch hat uns sehr geholfen. Nicht um alles zu kontrollieren – sondern um erstmal ein Gefühl für die eigenen Muster zu bekommen. Wo fließt das Geld hin? Was ist Gewohnheit, was ist wirklich wichtig?

Andere starten vielleicht lieber mit dem Einnahmen-Hebel. Eine Gehaltsverhandlung, ein Nebenjob, ein kleines Projekt am Wochenende. Auch das kann viel bewirken – vor allem psychologisch. Denn plötzlich wird aus "Ich muss verzichten" ein "Ich baue auf". Es geht auch nicht immer um Verzicht. Manchmal reicht es, Routinen zu ändern. Wer einmal pro Woche vorkocht, spart nicht nur Geld, sondern auch Nerven. Wer Verträge prüft, entdeckt vielleicht Optimierungspotenzial bei Versicherungen oder Strom. Wer Fahrgemeinschaften bildet, spart Spritkosten und hat Gesprächspartner.

Wichtig ist aus unserer Sicht: nicht alles gleichzeitig ändern zu wollen. Lieber eine Sache bewusst ausprobieren – und dann sehen, wie sie sich anfühlt. Wenn es sich gut anpasst, bleibt sie. Wenn nicht, kommt die nächste Idee. Und ja: Auch das Investieren selbst spielt eine Rolle. Viele trauen sich lange nicht, den Schritt an die Börse zu wagen. Aber mit einem ETF-Sparplan für 25 oder 50 Euro kann man klein anfangen. Die ersten Schritte zählen. Und mit jeder Erfahrung wächst das Vertrauen.

Typische Hürden, die unterwegs auftauchen

Auch wenn man sich gut vorbereitet: Es gibt Stolpersteine. Und die kennen wir alle. Vielleicht ist da die eine unerwartete Rechnung, die das Sparkonto leerfegt. Oder das Gespräch mit Freunden, bei dem man sich rechtfertigen muss, warum man "so wenig" konsumiert. Oder der innere Schweinehund, der flüstert: "Du lebst doch nur einmal!"

Das alles ist normal. Und genau deshalb ist es so wichtig, dass man nicht allein unterwegs ist. Austausch hilft. Sei es mit dem Partner, den Freunden, mit Online-Communities oder auch einfach im stillen Tagebuch. FIRE ist keine starre Formel. Es ist ein Prozess, eine Reise, auf der man sich besser kennenlernt. Und wie bei jeder Reise gehören auch Umwege dazu.

Dein Weg, deine Freiheit

Zum Schluss möchten wir dich einladen, einen Moment innezuhalten. FIRE ist kein Wettbewerb. Es geht nicht darum, die höchste Sparrate zu haben oder mit 35 in Rente zu gehen. Es geht darum, dir selbst mehr Spielraum im Leben zu schaffen – und das in deinem Tempo.

Stell dir doch mal diese Fragen: Was bedeutet finanzielle Freiheit für mich? Bin ich zufrieden mit meiner Sparrate? Gibt es eine kleine Veränderung, die sich für mich gut anfühlt? Möchte ich schneller unabhängig werden – oder langsamer, aber entspannter?

Es gibt kein Richtig oder Falsch. Es gibt nur deinen Weg.

Ausblick: Welcher FIRE-Typ bist du?

Im nächsten Artikel werfen wir einen Blick auf die verschiedenen FIRE-Varianten: Was unterscheidet LeanFIRE von FatFIRE? Was steckt hinter BaristaFIRE? Und wie findest du heraus, welche Richtung zu deinem Leben passt?

Hier geht es weiter: Die FIRE-Typen im Vergleich