4 - Was bedeutet Risiko wirklich? - Volatilität, Verluste, Zeit
Risiko – ein Wort mit schlechten Schlagzeilen
Wenn wir an „Risiko“ denken, haben viele von uns sofort Bilder im Kopf: Börsencrashs, Panik an den Märkten, rote Zahlen auf dem Bildschirm. Risiko klingt nach Gefahr, nach Verlust, nach etwas, das man unbedingt vermeiden sollte. Und genau das macht es für viele so schwer, den ersten Schritt in die Welt des Investierens zu gehen. Dabei lohnt sich ein zweiter Blick – denn Risiko ist vielschichtiger, als es auf den ersten Blick scheint.
Volatilität ist keine Gefahr – sondern Bewegung
Das Finanzwort „Volatilität“ beschreibt im Grunde nichts anderes als Schwankungen. Ein Kurs, der mal hoch, mal runter geht, ist nicht kaputt – er lebt. Das ist völlig normal und gehört zu einem gesunden Markt dazu. Ohne Bewegung keine Rendite. Wer langfristig investiert, erlebt solche Schwankungen nicht als Bedrohung, sondern als Teil des Wegs.
Ein Bild hilft: Volatilität ist wie Ebbe und Flut – nicht wie ein Erdbeben. Der Wasserstand ändert sich, mal sichtbar, mal dramatisch. Aber das Meer zieht sich nicht für immer zurück – es kommt auch wieder. Und wer am Strand wartet, weiß das. Genauso funktioniert ein langfristiger ETF-Investmentansatz: Bewegung ist einkalkuliert – und oft sogar erwünscht.
Verluste gehören dazu – aber nur auf dem Papier
Viele nennen es „Verlust“, wenn der Depotwert mal sinkt. Aber ein echter Verlust entsteht erst, wenn man verkauft. Davor ist es nur eine Momentaufnahme. Historisch gesehen haben sich die Märkte nach jedem Crash wieder erholt – ob Dotcom-Blase, Finanzkrise oder Corona. Und wer investiert bleibt, profitiert davon.
Ein Rechenbeispiel?
Ein ETF fällt um 20 %. Aus 10.000 € werden 8.000 €. Wer jetzt verkauft, realisiert den Verlust. Wer jedoch investiert bleibt, braucht eine Erholung von 25 % (nicht 20 %!) – um wieder auf 10.000 € zu kommen. Deshalb ist es so wichtig, Ruhe zu bewahren und nicht im Tief zu verkaufen.
Zeithorizont schlägt Nervosität – der Faktor Geduld
Der wohl wichtigste Hebel im Umgang mit Risiko ist: Zeit. Je länger dein Anlagehorizont, desto kleiner werden die Auswirkungen einzelner Schwankungen. Wer Geld für die nächsten drei Monate braucht, sollte nicht investieren – aber wer zehn, zwanzig oder dreißig Jahre Zeit hat, kann fast jede Volatilität aussitzen.
Ein Blick auf den MSCI World zeigt: In keinem beliebigen Zeitraum von 15 Jahren seit 1970 war die durchschnittliche jährliche Rendite negativ. Zeit glättet die Wellen. Und je früher man beginnt, desto besser wirken Zins und Zeit gemeinsam. Deshalb ist FIRE und langfristiges Investieren ein so gutes Paar.
Risiko ist individuell – und das ist gut so
Nicht jede*r empfindet Risiko gleich. Was für den einen aufregend ist, ist für die andere angsteinflößend. Wer ein sicheres Einkommen hat, einen Notgroschen und keine Schulden, kann mehr Schwankung aushalten als jemand, der gerade erst anfängt.
Auch psychologisch spielt das eine Rolle: Manche Menschen schlafen schlechter, wenn ihr Depot schwankt. Andere nehmen es gelassen hin. Beides ist okay – solange man das eigene Risikoprofil kennt und berücksichtigt.
Sicherheit ist nicht, was du denkst – sondern was du planst
Viele Menschen halten das Sparbuch für sicher – weil es nicht schwankt. Aber in Wirklichkeit ist die Kaufkraft dort Jahr für Jahr in Gefahr, weil die Zinsen oft unter der Inflation liegen. Das fühlt sich zwar nicht riskant an – ist es aber.
Ein guter Finanzplan besteht aus mehreren Bausteinen:
Ein solider Notgroschen für kurzfristige Ausgaben. Eine langfristige Depotstrategie mit ETFs. Und das Wissen, dass man nicht auf jeden Ausschlag reagieren muss. So entsteht echte Sicherheit – nicht durch Stillstand, sondern durch kluge Vorbereitung.
Was uns geholfen hat, Risiko neu zu sehen
Als wir angefangen haben zu investieren, hatten wir viele dieser typischen Sorgen im Kopf: „Aktien sind doch gefährlich!“ – „Was, wenn alles weg ist?“ – „Die Telekom-Aktie ist doch auch abgestürzt…“ Diese Gedanken stammen oft aus Kindheit oder Medienberichten, in denen spektakuläre Verluste viel Raum einnehmen. Aber wir haben gelernt: Ein einzelnes Unternehmen kann scheitern – ein ganzer Weltmarkt nicht so leicht.
Was uns überzeugt hat, war die Idee des ETFs: breit gestreut, kostengünstig, passiv. Ein MSCI World ETF zum Beispiel enthält über 1.500 Unternehmen aus vielen Ländern. Wenn da mal eins schwächelt, gleichen es andere aus. Und ja – auch ETFs schwanken. Auch sie verlieren in Krisenzeiten an Wert. Aber bisher hat sich jeder große Rückgang wieder erholt. Und wir haben uns gesagt: Wenn wir auf den Aufschwung vertrauen, dürfen wir uns vom Abschwung nicht entmutigen lassen.
Bonus: Der Notgroschen – dein persönlicher Risikopuffer
Ein Punkt, der uns besonders geholfen hat: Unser Notgroschen. Damit meinen wir kein Depot, sondern ein separates Tagesgeldkonto – mit drei bis sechs Monatsausgaben als eiserne Reserve. Diese Rücklage macht es einfacher, ruhig zu bleiben, wenn das Depot schwankt.
Du weißt: Selbst wenn du morgen deinen Job verlierst oder das Auto kaputtgeht, musst du nicht an dein Depot ran. Und das verändert das Gefühl für Risiko grundlegend.
Ausblick: Zinseszins & Zeit – deine stärksten Verbündeten
Wer Risiko versteht, kann es besser einordnen – und besser aushalten. Und wenn man dann noch weiß, wie stark die Zeit und der Zinseszinseffekt für einen arbeiten, sieht man Investieren plötzlich nicht mehr als Gefahr – sondern als Chance.
Im nächsten Kapitel schauen wir uns genau das an: Wie kleine Beträge durch Zeit zu großen Summen werden können, warum der Zinseszins fast magisch wirkt – und was das für deinen FIRE-Weg bedeutet.