Kapitel 8

FIRE auf deine Art - Teil 2

Description

Flexible Wege zur finanziellen Freiheit - Barista, Coast & Co. – wie du deinen eigenen FIRE-Weg findest

BaristaFIRE – ein bisschen frei, ein bisschen Job

BaristaFIRE ist die vielleicht alltagstauglichste Variante unter den FIRE-Typen – und gerade deshalb für viele besonders attraktiv. Statt sofort komplett finanziell unabhängig zu sein, kombinierst du hier Teilzeit-Arbeit mit finanzieller Sicherheit aus Ersparnissen oder passivem Einkommen. Das Bild stammt ursprünglich aus den USA, wo Menschen nach einer Karriere mit hohem Einkommen in ein einfacheres, freieres Leben wechselten – zum Beispiel als Barista in einem Café, eben ohne finanziellen Druck. Bei uns kann das heißen: ein Halbtagsjob, ein Herzensprojekt oder ein leichter Nebenjob, der nicht mehr die ganze Miete zahlen muss.

Der große Vorteil liegt auf der Hand: Du brauchst deutlich weniger Kapital, weil dein Teilzeit-Einkommen einen Teil deiner Ausgaben deckt. Vielleicht reichen dann schon 400.000 Euro, wenn du die fehlenden 1.000–1.500 Euro pro Monat durch einen Mini-Job abdecken kannst. Gleichzeitig bleibst du im System: Du hast weiter Krankenversicherung, Rentenpunkte, soziale Einbindung, einen Tagesrhythmus. Und falls du irgendwann doch ganz raus möchtest, kannst du immer noch weiter aufbauen.

Natürlich hat auch BaristaFIRE seine Herausforderungen. Nicht jede Tätigkeit ist mit reduzierter Stundenzahl möglich. Und manche Arbeitgeber bieten keine Teilzeitmodelle oder befristete Arbeitsverhältnisse an. Du bleibst ein Stück weit abhängig vom Arbeitsmarkt – und von deiner Gesundheit. Aber gerade für Familien, Menschen in Übergangsphasen oder alle, die sich (noch) nicht ganz lösen wollen, ist BaristaFIRE ein extrem praktikabler Zwischenschritt. Vielleicht ist er sogar mehr als das: ein dauerhaftes Lebensmodell.

CoastFIRE – erst Gas geben, dann treiben lassen

Der Name CoastFIRE leitet sich vom englischen „to coast“ ab – also sich treiben lassen oder „im Leerlauf gleiten“. Genau das ist das Prinzip hinter dieser Variante: Erst gibst du Gas, dann rollst du mit Schwung weiter. CoastFIRE beginnt mit einer intensiven Sparphase – oft direkt nach dem Berufseinstieg. Viele, die diesen Weg gehen, leben in dieser Zeit äußerst sparsam oder sogar frugal: Sie bleiben länger in der WG, verzichten auf das Auto, kaufen gebraucht, investieren jeden freien Euro in ETFs oder Aktien. Warum? Um möglichst früh ein finanzielles Startpolster aufzubauen, das später von allein weiterwächst.

Diese erste Phase dauert oft nur ein paar Jahre – aber sie ist entscheidend. Denn sobald das Kapital eine gewisse Größe erreicht hat, kommt Phase zwei: Du hörst auf zu sparen. Du arbeitest zwar weiter, aber nur noch, um deinen aktuellen Lebensstil zu finanzieren. Das Kapital wird nicht mehr angerührt – sondern darf wachsen. Und durch den Zinseszinseffekt coastet es über die Jahre auf dein FIRE-Ziel zu. Ein Beispiel: Wer mit Anfang 30 bereits 100.000 Euro angespart hat und das Geld mit durchschnittlich 7 % jährlich wachsen lässt, kommt mit 60 auf über 750.000 Euro – ohne weitere Sparbeiträge.

CoastFIRE bringt ein ganz besonderes Gefühl mit sich: Leichtigkeit. Du musst nicht mehr sparen. Du darfst dein Gehalt komplett ausgeben, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Gleichzeitig weißt du: Deine Zukunft ist finanziell abgesichert. Natürlich braucht CoastFIRE auch Vertrauen – in deine Planung, in die langfristige Entwicklung des Kapitalmarkts, in dich selbst. Und es braucht Disziplin, das angesparte Geld wirklich unangetastet zu lassen. Aber wenn es gelingt, kann CoastFIRE eine befreiende Lebensstrategie sein: konsequent begonnen, aber mit viel Raum für Genuss im Hier und Jetzt.

Mischformen & kreative FIRE-Wege

Nicht jeder passt in eine feste Schublade – und genau das gilt auch bei FIRE. Viele Menschen bewegen sich zwischen den Konzepten, je nach Lebensphase, Einkommen oder Wünschen. FIRE ist kein Dogma – es ist ein Baukasten. Du kannst mit LeanFIRE starten, später auf BaristaFIRE umsteigen, zwischendurch ein Sabbatical einbauen, und dir irgendwann FatFIRE gönnen. Manche arbeiten ein Jahr Vollzeit, sparen massiv – und nehmen sich dann ein halbes Jahr Auszeit.

Ein spannender Sonderfall ist GeoFIRE – kurz für Geographic Arbitrage + FIRE. Dahinter steckt die Idee, in einem Land mit niedrigen Lebenshaltungskosten zu leben, während man Einkommen aus einem höherpreisigen Land bezieht – z. B. durch Remote-Arbeit, Vermietung oder Kapitalerträge.
Wer zum Beispiel in Portugal, Thailand oder Osteuropa lebt, kann mit deutlich geringeren monatlichen Ausgaben finanziell frei werden – oder mit dem gleichen Kapital einfach komfortabler leben.

GeoFIRE ist besonders interessant für digitale Nomaden, Expats oder Menschen in Übergangsphasen. Aber es bringt auch Herausforderungen mit sich – von rechtlichen Fragen über Visa bis hin zu kulturellen Anpassungen. Funktionieren kann es – aber es braucht Planung. Was zählt, ist am Ende nicht die Etikette, sondern dein Weg. FIRE ist kein Label – sondern eine Einladung, dein Leben bewusster zu gestalten.

Wie findest du deinen FIRE-Typ?

Vielleicht hast du dich in einem dieser FIRE-Typen wiedergefunden. Vielleicht auch in mehreren – oder in gar keinem. Das ist völlig normal. Denn am Ende ist FIRE kein Persönlichkeitstest mit nur einer richtigen Antwort, sondern eine Einladung zur Selbstreflexion.

Frag dich lieber:

Was brauche ich wirklich, um mich sicher und frei zu fühlen?
Wie viel Komfort ist mir wichtig – und wie viel Zeit ist mir meine Freiheit wert?

Für uns war es wichtig, einfach mal anzufangen. Nicht mit einem perfekten Plan, sondern mit einer groben Richtung. Unser Weg sieht heute anders aus als vor ein paar Jahren – und wird in ein paar Jahren wieder anders aussehen. Und das ist vollkommen in Ordnung.

Fazit: FIRE darf sich verändern – genau wie du

FIRE ist kein Ziel, das man erreicht und dann für immer behält. Es ist ein Prozess – ein Lebensstil, der sich weiterentwickelt. Dein Leben verändert sich. Deine Wünsche. Deine Lebensumstände. Und dein FIRE-Typ vielleicht auch.

Du darfst heute LeanFIRE leben und morgen Barista. Oder du entdeckst, dass du nicht auf jeden Euro achten willst und doch lieber in Richtung FatFIRE schielst. Vielleicht ziehst du ins Ausland, nimmst eine Auszeit oder kombinierst alles irgendwie kreativ. Wichtig ist: Du bist bewusst unterwegs. Du hast dich mit deinem Geld, deiner Zeit und deinen Werten auseinandergesetzt. Und du triffst Entscheidungen, die zu dir passen – nicht zu einem Internet-Mythos.

Ausblick: Frugalismus & FIRE – ein Traumpaar oder zwei verschiedene Welten?

Gerade bei LeanFIRE und CoastFIRE taucht oft ein Begriff auf: Frugalismus – also der bewusste Verzicht auf überflüssigen Konsum. Doch ist Frugalismus zwingend nötig, um FIRE zu erreichen? Oder kann man auch mit einem höheren Lebensstandard finanziell unabhängig werden?

Im nächsten Artikel schauen wir uns an: Was Frugalismus wirklich bedeutet – und was nicht. Warum viele FIRE-Anhänger:innen frugal leben – aber nicht alle. Ob FIRE ohne Verzicht möglich ist. Und was das alles mit dir zu tun hat.

Hier geht es weiter: Frugalismus und FIRE